Herbert Masslau

Zur Folterdebatte in Deutschland

(5. März 2003 / redigiert für Website 17. April 2003)

 

Absicht oder mangelnde Sensibilität?

Ob in Presse, in Funk oder Fernsehen, ob Juristen oder Politiker, allen Äußerungen zum Thema "Folter" ist eines gemeinsam: sie verkürzen das Thema ausschließlich auf das juristische Diktum (Folter verboten). Lapidar werden die Leser allein gelassen mit Imperativen wie Folter verstößt gegen EU-Menschenrechtskonvention, gegen dies bundesdeutsche Strafgesetz oder jenes hessische Sicherheits- u. Ordnungsgesetz. Ja, mag da so mancher denken, warum ändert man dann nicht einfach die Gesetze. Denn dem Leser wird durch solcherlei Darstellungen zum Thema "Folter" lediglich Gehorsam gegenüber dem bestehenden formalen Recht abverlangt. Nirgendwo fand ich den Versuch, zu erklären, warum es unabhängig vom gesetzlichen Diktum keine Folter geben darf.

Als gäbe es aktuell nicht Guantánamo, wo die USA Hunderte von angeblichen (oder auch tatsächlichen) Taliban-Kämpfern gefangen halten - aber eben nicht als Häftlinge mit Anspruch auf ein rechtsstaatliches Gerichtsverfahren, auch nicht als Kriegs-Gefangene mit Anspruch auf Behandlung nach den Genfer Kriegsrechts-Konventionen, sondern außerhalb des Rechtsterritoriums der USA, ohne Anklage, ohne Richter, ohne Verteidigung, ohne Kontakt zu den Familien, gefesselt knieend im Sand.

Kennen wir nicht die Zeit der Hexenverfolgungen in Europa? Wer unter der Folter gestand wurde als Werkzeug des Teufels auf dem Scheiterhaufen verbrannt, wer nicht gestand trotz Folter, mit dem Argument, der Teufel habe der Folter widerstanden, ebenso.

Kennen wir nicht die Nazi-Zeit in Deutschland mit den Folterungen in den KZ's?

Vergessen die von den geflohenen Nazi-Folterspezialisten ausgebildeten Polizeien folternder südamerikanischer Militärdiktaturen von US-Gnaden der 1960er und 1970er Jahre (Pinochet, Videla und all die anderen)?

Kennen wir nicht einmal mehr die aktuelle Diskussion um den EU-Beitritt der Türkei, der u.a. auch an der bis dato praktizierten Folterei scheitert?

Vergessen all jene spektakulären "Justizirrtümer aus England und den USA, wo als angebliche Mörder Inhaftierte nach 10, 15 Jahren Gefängnis wieder frei kamen, nachdem nicht nur durch die Polizei manipulierte Tatorte und Indizien, sondern auch mit Foltermethoden erpreßte falsche Geständnisse klar dokumentiert waren?

Wollen wir all das?

Denn klar muß sein: Der Erfolgsdruck der Polizei, schnell Täter zu liefern, würde oft Unschuldigen unter der Folter falsche Geständnisse abzwingen.

Letztlich würde Folter die ganze Gesellschaft verrohen, allgegenwärtig Angst erzeugen, selber Opfer von Folter zu werden, und damit das Duckmäusertum fördern.

Zufall, daß diese Diskussion gerade jetzt in die Öffentlichkeit gepuscht wird, wo es um knallhartes Abzockertum zu Lasten breiter Bevölkerungskreise durch Deregulierung des Arbeitsmarktes, des Gesundheitswesens, der Altersversorgung, der Bildung geht (europaweit, weltweit), und zu einer Zeit, wo wir am Vorabend des Irak-Krieges stehen, der sich zum Dritten Weltkrieg auswachsen kann, zum Ende der zivilen Gesellschaft mit ihrer regulierten Gewalt?

 

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